Hans Werner Henze

*  1. Juli 1926

†  27. Oktober 2012

von Holger Groschopp Peter Petersen

Essay

A. Bühnenwerke

Henzes erster Versuch eines Musiktheaterwerks, Das Wundertheater – Oper in einem Akt für Schauspieler nach einem Intermezzo von Miguel de Cervantes, stammt vom Herbst 1948. Den 21 Nummern, die jeweils kleinen Handlungseinheiten entsprechen, sind Formen aus der Musikgeschichte zugeordnet (»Preludio«, »Capriccio«, »Rondo«, »Ballade«, »Cantilène«, »Rezitativ«, »Impromptu«, »Marche héroique«, »Furioso«, »Perpetuum mobile«, »Etude«, »Thema mit Variationen« usw.), wodurch – im Verbund mit einer gewissen Polystilistik (einem historisierenden Menuett folgt ein Boogie-Woogie) – eine unpsychologische Kühle herbeigeführt wird, die an den Stravinskij der »Histoire du Soldat« erinnert. Henze spielt mit den Genres Oper und Schauspiel, indem er zwar der Musik den wichtigsten Teil zuweist, den Gesang allerdings vorerst vermeidet (1964 hat Henze eine Wundertheater-Fassung für Sänger geschrieben, die zusammen mit den ebenfalls umgeformten Funkopern Ein Landarzt [zuerst 1951] und Das Ende einer Welt [1952/53] als abendfüllendes Triptychon gedacht ist). In der Urfassung wird das Wechselspiel von Orchester und Bühne mittels pantomimischen und tänzerischen Aktionen auf der Grundlage von gesprochenen Dialogen auskomponiert. Das Stück basiert auf einer einzigen Zwölftonreihe (cis-d-b-fis-g-as-a-f-h-c-es-e), die in allen vier Modi und in diversen Transpositionen vorkommt und ...